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    Planen und Realisieren von Applikationen

Rekalibration und Wartung eines BV-Systems

Im Praxisbetrieb zeigt sich eventuell nach längerer Laufzeit der Anlage, dass die Erkennungsrate abnimmt. Dafür kann es eine Vielzahl von Gründen geben, abgesehen von veränderten Inspektionsteilen (!) sind es jedoch oft recht einfach Dinge, die sich auch leicht beheben lassen.

Voraussetzung für eine Re-Kalibration ist, dass man den ehemaligen Idealzustand kennt, den man wiederherstellen möchte. Dies erfordert jedoch etwas vorrausschauend etwas Dokumentation oder einige zusätzliche Prüftools in der Bildverarbeitungsapplikation.

Dokumentation von

  • allen relevanten Arbeitsabständen und Winkel der Kamera zur Beleuchtung und zum Bauteil
  • Blendenstellung des Objektivs
  • Einstellungen von Blitzcontrollern
  • Referenzbildern vom Urzustand
  • Belichtungszeit und Gain etc., falls diese nicht im Software-Projekt mit gespeichert wurde

Das Kalibrations-Testchart

Ein für die Applikation abgestimmtes Testchart hilft dem Anwender, das System richtig aufzusetzen. Es sollte alle zu bestimmenden Messgrößen des Systems kalibrieren können.

Hilfsmittel zum Einrichten und Kalibrieren von Kameras

Kalibration Testchart Kamera
  • Quadratisches Mess-Grid: An diesem kann die Linsenverzeichnung, aber auch eine mögliche schräge Kameraeinbauposition gemessen werden. Dient auch zur Bestimmung eines Skalierungsfaktors falls über viele Quadrate gemessen wird.
  • Mess-Kreis in der Mitte: Anhand einer Radius-Bestimmung kann sehr einfach ein Pixel-Millimeter-Ratio errechnet werden.
  • Graukeile und Grauton 50% hell: An diesen Mustern kann geprüft werden, ob alle Helligkeiten linear vorhanden und erkennbar sind. Achtung: Das Kamerasystem wird jedoch später so eingestellt, dass das Weiß NICHT einen Grauwert von 255 hat, sondern einen leichten Grauton aufweist. Überbelichtung wird bei CCD-Sensoren vermieden!
  • Siemenssterne in Bildmitte und Ecken: Mit Hilfe der Siemenssterne kann die Grenzauflösung der Optik und Kamerasystems bestimmt werden. In den Bildrändern einer Aufnahme ist die Auflösung der Optik immer geringer!
  • Linienpaare horizontal und vertikal: dienen ebenfalls zur Bestimmung der MTF.
  • Farbmuster RGB und CMYK: helfen zur Kalibrierung einer Farbkamera.

Kalibration mit Hilfe der Software

Zur Reproduzierung desselben Zustandes lassen sich einige Prüftools in das Software-Projekt einbinden, die es dem Anwender vereinfachen, denselben Zustand zu erreichen, wie er zu Beginn vorgeherrscht hat.

Doch welche physikalischen Größen kann ein Kamerasystem ermitteln? Diese müssen mittels Kalibration wieder in den Anfangszustand gebracht werden:

  • Primär misst ein Kamerasystem Helligkeitsintensitäten (I) der einzelnen Pixel. Im Falle einer RGB-Farbkamera sind dies die Intensitäten pro Farbkanal, also I*R, I*G und I*B. Mit Hilfe von flächenhaften Statistik/ Lightmeter/ Intensitäts-Tools kann der Bildverarbeiter den Grau- oder Farbton einer Referenzfläche ermitteln und wieder mit Hilfe der Belichtungszeit oder Blende etc. den ehemaligen Helligkeitswert herstellen. Bei einer Farbkamera kann sich nicht nur die Gesamthelligkeit verschieben, sondern auch die Gewichtung der einzelnen Farbkanäle. Oftmals ermöglicht die Kamera- oder Auswertesoftware einen Weißabgleich.
  • Mit Hilfe von Messtools etc. lassen sich X- und Y-Koordinaten sowie die Drehlage von Bauteilen ermitteln. Eine kleine Messapplikation, die den Offset und Winkel des Bauteils zu einem Referenzvektor ermittelt, zeigt einem sofort an, ob die Kamera noch denselben Prüfbereich erfasst oder wie weit dieser abweicht.
  • Sogar die Z-Koordinaten lassen sich mit dem Kamerasystem berechnen, obwohl das Kamerasystem primär nur in der Lage ist, X- und Y-Dimension zu erfassen. Dies ist jedoch trotzdem möglich, sobald zum Beispiel der Durchmesser eines Prüfobjekts bekannt ist. Bei einem entozentrischen Normalobjektiv werden die Bauteile umso kleiner, je weiter die Kamera entfernt ist. Vermisst man z.B. ein rundes Bauteil und skaliert den Durchmesser von beliebigen Pixelwerten im Idealzustand auf 100%, so weiß man sofort, ob sich die Kamera näher oder weiter vom Objekt wegbewegt hat. Hat es sich gezeigt, dass die z-Achse verstellt war, muss auf jeden Fall nachskaliert werden.

Mit einer einfachen zusätzlichen Messapplikation und einem Helligkeitsmesstool ist der Anwender in Sekundenschnelle in der Lage, das System so zu justieren, dass Intensität, Translation, Rotation und Skalierung wieder die ursprünglichen Werte einnehmen.

Koordinatentransformation

Immer öfter sieht man in Bildverarbeitungsprogrammen, nicht nur Pixel nach Millimeter etc. zu skalieren, sondern mit Hilfe komplexer Koordinatensysteme zu kalibrieren. Mehrpunkt-Koordinatensysteme ermitteln automatisch den Ursprung, die Lage der X- und Y-Achse und die Skalierung. Komplexe Multipunkt- oder Schachbrettmuster-Systeme sind sogar in der Lage, nichtlineare Verzeichnungen, wie Linsenfehler oder trapezförmige Projektionen etc. zu kompensieren. Eine perspektivische Verzerrung wird entfernt. Dies erleichtert die automatische Nachkalibrierung ebenfalls erheblich. Bitte beachten Sie, dass auch hier absolute Präzision nötig ist. Kalibrieren Sie idealerweise für Roboterapplikationen immer in der Greifebene der Bauteile und nicht auf der Förderbandebene. Eine ordentliche Kalibrierschablone muss sehr exakt sein und idealerweise durch Verstiftungen präzise positionierbar.

Rekalibration und Wartung des Systems - Ein Praxisbeispiel

Das Bild ist zu dunkel, die Software-Prüfung funktioniert nicht mehr richtig. Laut Referenzbild ist aber das aktuelle Kamerabild vom Bildausschnitt nicht verschoben. Was könnte es sein?

  • Blende Objektiv verstellt? > Prüfen des Sicherungsbandes und Feststellschrauben
  • Licht schluckender Dreck auf Linse?
  • Belichtungszeit der Kamera? > Prüfen in Software oder evtl. als Hardware-Settings
  • Kamera-Gain korrekt (elektronische Verstärkung) ? >Software oder Hardware Settings
  • Blitzcontroller-Settings zum Überblitzen der LEDs ok?
  • Arbeitsabstand und Einbau-Winkel Kamera? >Messen und Unterstützung durch Software-Tools
  • Arbeitsabstand und Winkel der Beleuchtung? > Händisches Messen
  • Verschmutzung auf Beleuchtung? Eine Röhre defekt?

Nichts gefunden? Sehr wahrscheinlich ist die Beleuchtung gealtert und nicht mehr so intensiv wie zuvor. So können Sie den Mangel an Licht korrigieren:

  • mit einem testweisen (und später evtl. dauerhaftem) Austausch der Beleuchtung, insbesondere bei der Verwendung einer Halogen- oder Fluoreszenzlampe
  • mit der Änderung der Blende am Objektiv (Achtung Tiefenschärfe-Verlust)
  • einer längeren Belichtungszeit (Achtung Bewegungsunschärfe)
  • vorsichtigen Erhöhung des Kamera-Gains (Achtung verstärktes Rauschen)

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